News

Darf der Chef meinen Ferienüberhang ersatzlos streichen?

Ich übertrage seit Jahren wegen Arbeitsüberlastung einen Ferienüberhang von einem Jahr zum nächsten. Nun droht mein Arbeitgeber, diesen Überhang ersatzlos zu streichen. Da wir gegen Ende Jahr viel Arbeit haben, kann ich bis zum Jahresende die Ferien nicht beziehen. Muss ich diese restlichen Ferientage deshalb abschreiben?

Ihr Arbeitgeber darf Ihnen den Ferienüberhang weder auszah­len noch streichen. Ferien sind nach Art. 329c OR in der Regel im Verlaufe des betreffenden Dienstjahres zu gewähren. Dass Sie Ihre Ferien seit Jahren nicht vollständig beziehen (können), widerspricht dem Erholungszweck der Ferien und ist deshalb nicht korrekt. Sowohl Sie wie auch Ihr Arbeit­geber müssen den Ferienbezug planen und umsetzen.

In der Regel werden die Ferien frühzeitig abgesprochen und festgelegt. Ist das nicht möglich, darf der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Ferien bestimmen. Dabei hat er Rücksicht auf die Wünsche der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers zu nehmen, soweit das mit den Interessen des Betriebes vereinbar ist.

Weiter muss er bei der einseitigen Festlegung der Ferien den Zeitpunkt frühzei­tig, in der Regel mindestens drei Monate im Voraus, ankün­digen. Eine Verschiebung der Ferien auf das nächste Jahr ist nur zulässig, wenn es aufgrund besonderer betrieblicher Gründe erforderlich ist. Es muss jedoch die Ausnahme bleiben; regelmässige Verschie­bung der Ferien auf das nächste Dienstjahr verstösst gegen Art. 329c Abs. 1 OR.


Ferienanspruch verjährt nach fünf Jahren
Die Anordnung der Ferien durch den Arbeitgeber ist ein Recht, aber auch eine Pflicht des Arbeitgebers. Deshalb ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Sie Ihre Ferien grundsätzlich im ent­sprechenden oder ausnahms­weise im darauffolgenden Dienstjahr beziehen können.

Wenn Sie die Ferien nicht im entsprechenden Dienstjahr beziehen konnten, verlieren Sie den Anspruch auf diese Ferien nicht sofort. Der Ferienan­spruch unterliegt einer fünfjäh­rigen Verjährungsfrist. Ohne anders lautende Erklärung des Arbeitgebers werden beim Bezug von Ferien zuerst die ältesten Ansprüche verbraucht, weshalb es kaum zu einer Verjährung kommt. Wenn Ihnen der Arbeitgeber Ihre Ferienansprüche jeweils am Ende des Jahres ausdrücklich mitgeteilt hat, hätte die fünf­jährige Verjährungsfrist jeweils erneut zu laufen begonnen. Denn mit einer solchen Mittei­lung des Gesamtsaldos der Ferien anerkennt der Arbeitge­ber diesen Anspruch, was zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist führt.

Ihr Arbeitgeber kann Ihnen deshalb den Ferienüberhang nicht ersatzlos streichen, soweit noch keine Verjährung einge­treten ist. Sie können also darauf bestehen, die noch nicht bezogenen Ferien zu beziehen. Damit der Erholungszweck der Ferien nicht vereitelt werden kann, dürfen Ferien gemäss Art. 329d OR während der Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht durch Geldleistungen oder andere Vergünstigungen abgegolten werden. Dieses Verbot ist absolut zwingend. Deshalb können Sie keine finanzielle Abgeltung des Ferienüberhangs verlangen.


Raetus Cattelan, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschein als Ratgeber in der Luzerner Zeitung vom 3. Dezember 2024.
PDF