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Darf man draussen in der Sonne «oben ohne» arbeiten?

Mir fällt auf den Baustellen auf, dass viele Arbeiter mit einem Helm ausgerüstet, jedoch am Oberkörper gänzlich unbekleidet sind. Das hat doch bei ständiger Sonneneinstrahlung grosse Auswirkungen auf die Haut. Haben die Arbeitgeber nicht die Pflicht, die Arbeitnehmer zu schützen? Müssten sie nicht Vorschriften erlassen?
Sie sehen das richtig: Der Arbeitgeber hat die Pflicht, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Gefahren zu schützen. Der Gesetzgeber hat mit dem Arbeitsgesetz und speziell mit der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz (ArGV3) die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen.

Für Ihre Frage zu den Baustellen im Sommer ist Art. 20 ArGV3 massgebend: «Die Arbeitnehmer sind vor übermässiger Sonneneinwirkung sowie vor übermässiger Wärmestrahlung, die durch Betriebseinrichtungen und Arbeitsvorgänge verursacht wird, zu schützen.» Gestützt auf diese Bestimmung (und weitere) hat die Suva Vorschriften und Richtlinien aufgestellt, aber auch ganz praktische Tipps in Merkblättern zusammengefasst. Dabei ist völlig klar, dass das Arbeiten «oben ohne» ein No-Go ist.

Die UV-Belastung ist nicht nur in den Monaten Juli/August ein Problem, vielmehr muss man sich bei Arbeiten im Freien bereits ab April und bis September gegen die Sonneneinstrahlung schützen. Nach Erhebungen der Suva werden pro Jahr rund 1000 Hautkrebserkrankungen verzeichnet, die auf hohe UV-Strahlung bei der Arbeit zurückzuführen sind. Wer im Freien arbeitet, ist einer doppelt so hohen UV-Strahlung ausgesetzt als während der Freizeit und der Ferien zusammen.

Daher ist es zentral, sich vor dieser UV-Belastung zu schützen. Sowohl Suva wie auch der Schweizerische Baumeisterverband empfehlen nebst der angemessenen Kleidung eine Kopfbedeckung mit Stirnblende und Nackenschutz.

Trinken, Pausen im Schatten, Arbeitszeiten anpassen
Die teilweise extreme Hitze wie Anfang Juli stellt eine grosse Belastung für den Körper und den Kreislauf dar, die je nach Luftfeuchtigkeit noch verstärkt wird. Deshalb sollten alle technischen, organisatorischen und persönlichen Schutzmassnahmen ergriffen werden, wie etwa: regelmässig trinken, vermehrt Pausen im Schatten, Arbeiten der Tageszeit anpas­en (belastendere Arbeiten am Vormittag) oder den Tagesrhythmus ändern, d.h. früher beginnen, früher die Arbeit beenden. Dabei haben viele kurze Erholungspausen einen höheren Erholungswert als wenige lange.

Wenn Sie deshalb tatsächlich noch Bauarbeiter mit nacktem Oberkörper sehen, dann hat dieser Arbeitgeber seine Hausaufgaben nicht gemacht. Es dürfte und sollte die Ausnahme sein und hoffentlich bald ganz der Vergangenheit angehören. Die Suva führt diesbezüglich auch regelmässig Kontrollen durch.

Laut Suva ereignen sich ab Temperaturen von 30 Grad im Bau- und Transportgewerbe 7 Prozent mehr Unfälle, wie eine Auswertung der Jahre 2000 bis 2015 zeigt. Die Gründe dafür seien Konzentrationsmängel sowie Übermüdung. Ob und wie viele Todesfälle es aufgrund von Überhitzung bei der Arbeit gibt, ist nicht klar.

Raetus Cattelan, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 19. August 2023.
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