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Frist für ordentliche Generalversammlung verpasst

Das Geschäftsjahr meiner Firma endet jeweils am 31. Dezember. Bis wann muss die ordentliche Ge­neralversammlung durchgeführt werden? Kann die verspätete Durchführung rechtliche Konse­quenzen nach sich ziehen?

Durchführungs- und Einberufungs­frist
Die ordentliche Generalversammlung hat jährlich innerhalb von sechs Mo­naten nach Abschluss des Geschäfts­jahres stattzufinden. Das Geschäfts­jahr entspricht bei Gesellschaften regelmässig dem Kalenderjahr und endet somit am 31. Dezember. Ent­sprechend ist die ordentliche General­versammlung jeweils bis spätestens am 30. Juni durchzuführen. Die Ein­berufung hat mindestens 20 Tage vor dem Versammlungstag durch den Ver­waltungsrat oder ausnahmsweise die Revisionsstelle zu erfolgen. Nur falls sämtliche Aktien vertreten sind und kein Widerspruch erhoben wird (sog. Universalversammlung), muss die Einberufungsfrist nicht eingehalten werden.

Keine stillschweigende Wiederwahl des Verwaltungsrats
Bei der sechsmonatigen Durchfüh­rungsfrist handelt es sich zwar «nur» um eine Ordnungsvorschrift. Deren Missachtung kann aber dennoch un­erwünschte und aufwendige Konse­quenzen nach sich ziehen. Denn die Amtsdauer von Verwaltungsräten en­det spätestens mit Ablauf der GV-Durchführungsfrist automatisch. Die verpasste Frist für die GV führt nicht zu einer stillschweigenden Verlänge­rung der Amtsdauer. Endet das Ge­schäftsjahr am 31. Dezember und ist der Verwaltungsrat für ein Jahr ge­wählt worden, so führt die verpasste Frist zur GV-Durchführung also dazu, dass die Gesellschaft ab dem 1. Juli keinen Verwaltungsrat mehr hat. Wird der Verwaltungsrat jeweils auf drei Jahre gewählt, so droht dieses Szena­rio entsprechend jedes dritte Ge­schäftsjahr.

Rechtliche Konsequenzen
Hat eine Gesellschaft keinen Verwal­tungsrat, so liegt ein Organisations­mangel vor. Solange dieser besteht, ist die Gesellschaft faktisch handlungs­unfähig. Obwohl die zuletzt bestellten Verwaltungsräte dann zwar regelmäs­sig noch im Handelsregister eingetra­gen sind, können diese keine rechts­wirksamen Beschlüsse mehr fassen. Es kann sogar fraglich sein, ob von ei­nem nicht fristgerecht wiedergewähl­ten Verwaltungsrat unterzeichnete Verträge wirksam sind.

Wiederherstellung des rechtmässi­gen Zustands
Die Generalversammlung hat in dieser Situation schnellstmöglich wieder ei­nen Verwaltungsrat zu bestellen. Was einfach klingt, kann in der Umsetzung aber zu Schwierigkeiten führen. Das Problem: Der nicht fristgerecht wieder­gewählte Verwaltungsrat kann nicht zu einer GV einladen. Tut er dies doch, so sind dabei gefasste Beschlüsse nichtig. Diese in der Praxis überaus gravierende Folge hat das Bundesgericht in einem Urteil vom Mai 2024 definiert. Dadurch ist dem «ehemaligen» Verwaltungsrat die ordentliche GV-Einberufung zur ei­genen Wiederwahl verwehrt. Immerhin noch möglich wäre die Wieder- oder Neuwahl mittels einer Universalver­sammlung. Sollte dies nicht möglich sein (z. B. wenn sich bereits ein Aktio­när dagegen verwehrt), so verbleibt für die Einberufung nur noch die Revisionsstelle (sofern es eine solche gibt) oder die Anrufung des Gerichts. Es empfiehlt sich also, sicherzustellen, dass zumindest die notwendigen Wie­der- und Neuwahlen des Verwaltungs­rats jeweils fristgerecht durch die Gene­ralversammlung beschlossen werden.


Thomas Nietlispach, LL.M., Rechtsanwalt

Dieser Beitrag erschien in der Surseer Woche vom 25. Juli 2024.
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