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Hausverkauf nach Scheidung: Wer erhält wie viel?

Ich befinde mich derzeit in der Scheidung. Unser Haus wird ver­kauft. Ich ging davon aus, dass der Erlös hälftig geteilt wird. Mein Mann macht nun geltend, er habe eine Erbschaft investiert und des­halb den grösseren Anteil zugute. Ich konnte einen ähnlichen Betrag erben, wobei dieses Geld in ein Wohnmobil und eine Familienreise floss. Das muss doch auch berück­sichtigt werden – oder nicht?

Sofern Sie nichts Gegenteiliges in ei­nem Ehevertrag geregelt haben, unter­stehen Sie und Ihr Mann dem ordent­lichen Güterstand der Errungen­schaftsbeteiligung. Bei diesem wird das Vermögen der Ehegatten je in Er­rungenschaft und Eigengut aufgeteilt. Zur Errungenschaft gehört insbeson­dere das während der Ehe aus Ein­kommen angesparte Vermögen. Schenkungen und Erbschaften fallen ins Eigengut.

Vermögensaufteilung bei Scheidung
Bei der Scheidung wird das noch vor­handene eheliche Vermögen aufge­teilt. Dabei spielt die Zuteilung zu Er­rungenschaft und Eigengut eine Rolle: Das Errungenschaftsvermögen wird wertmässig hälftig geteilt, während­dem jeder sein Eigengut behalten kann. Wer Eigengut geltend macht, muss beweisen, dass es angefallen ist. Zudem muss nachgewiesen werden, dass dieses Geld bei der Scheidung noch vorhanden ist, also beispielswei­se in den Kauf einer noch vorhande­nen Sache investiert wurde oder noch auf einem Konto liegt.

Mehrwertberechnung
Bei einem Haus muss genau geprüft werden, wie der Kaufpreis und allfällige spätere Investitionen finanziert wurden. Wenn ausschliesslich Errungenschaft investiert wurde, wird der Erlös hälftig geteilt. Wenn Ihr Mann hingegen bewei­sen kann, dass eine Erbschaft – also Ei­gengut – in das Haus floss, hat er An­spruch auf den investierten Betrag. Aber nicht nur das: Das investierte Ei­gengut profitiert auch von einem allfäl­ligen Wertzuwachs. Ihr Mann hat also – je nach Höhe des investierten Eigenguts – einen proportional höheren Anspruch am Verkaufserlös. Wie hoch der An­spruch genau ist, hängt von der übrigen Finanzierung und dem erzielten Ver­kaufspreis ab. Eine solche Mehrwertberechnung ist komplex, und es empfiehlt sich der Beizug einer Anwältin.

Weg ist weg
Im Gegensatz zur Entwicklung der Im­mobilienpreise verliert ein Wohnmobil in der Regel an Wert. Sofern das Wohn­mobil noch vorhanden ist, begrenzt sich Ihr Anspruch auf den noch ver­bleibenden heutigen Wert – selbst wenn das investierte Eigengut höher war. Der Anteil Ihrer Erbschaft, den Sie in die Familienreise investiert haben, gilt rechtlich als verbraucht und kann nicht mehr geltend gemacht werden.

Abweichungen möglich
Von der eben skizzierten Rechtslage kann im Einverständnis beider Ehegat­ten abgewichen werden. Das heisst, Sie und Ihr Ehemann können in einer Scheidungsvereinbarung festhalten, dass der Verkaufserlös (nach Abzug al­ler Kosten, Gebühren und Steuern) hälftig geteilt wird. Auf diese Weise können Sie der Tatsache Rechnung tragen, dass beide während der Ehe eine Erbschaft erhalten und investiert haben – wenn auch in unterschiedliche Dinge.


Melanie Friedrich, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin SAV Familienrecht

Dieser Beitrag erschien in der Surseer Woche vom 29. August 2024.
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