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Mängelrüge muss rechtzeitig erfolgen

Vor wenigen Wochen wurde mein neuer Carport von einer ortsansäs­sigen Firma fertiggestellt. Als es kürzlich stark windete, ist mir auf­gefallen, wie der Carport bedroh­lich wackelte. Tatsächlich stellte ich am nächsten Tag fest, dass der Beton der Verankerung des Carports brüchig ist. Ein Freund sagte mir, ich solle es bei der Firma rü­gen, könne mir aber rund zwei Jah­re Zeit lassen. Stimmt das?
Mängelrechte
Die Erstellung eines Carports ist als sogenannter Werkvertrag zu qualifi­zieren. Für den Fall von Mängeln am bestellten Werk kennt das Gesetz bei Werkverträgen die sogenannten Män­gelrechte: Minderung des Werkpreises, die Wandelung des Werkvertrags oder die Nachbesserung.

Das Problem der Rügefrist
So gut es der Gesetzgeber mit dem Schutz von Bestellern durch die Män­gelrechte meint, hat er doch einen er­heblichen Stolperstein eingeführt: Die Rechtzeitigkeit der Rüge. Art. 367 OR bringt zum Ausdruck, dass die Mängel­rüge sofort erfolgen muss. Eine konkrete Frist nennt das Gesetz aber nicht. Ge­mäss Bundesgericht richtet sich die Be­urteilung, ob eine Rüge «rechtzeitig» erfolgt ist, nach den konkreten Umstän­den des Einzelfalls; die Gerichte sind dabei äusserst streng: Im Sinn einer Faustregel ist von einer siebentägigen Rügefrist auszugehen. Als wäre die kur­ze Rügefrist nicht genug, kommt hinzu, dass deren Verpassen zur Verwirkung sämtlicher Rechte gegenüber dem Ver­tragspartner führt. Die sofortige Rügeobliegenheit gilt im Übrigen sowohl bei sogenannt «offenen» Mängeln (Mängel, die bei ordentlicher Prüfung des Gegen­standes erkennbar sind) wie auch bei «versteckten» Mängeln (Mängel, die erst später zu Tage treten).
Im Anwaltsalltag wird man immer wie­der damit konfrontiert, dass davon aus­gegangen wird, es gelte eine zweijährige Rügefrist. Das ist so aber nicht richtig. Eine zweijährige Rügefrist gilt nur, wenn die SIA-Norm 118 im Werkvertrag als Vertragsbestandteil vereinbart worden ist. Dabei handelt es sich um ein priva­tes Regelwerk, das vom Schweizeri­schen Architekten- und Ingenieurverein erstellt worden ist. Sobald man also ei­nen Mangel an einem bestellten Werk entdeckt, sollte der Mangel sofort gegen­über dem Vertragspartner gerügt wer­den – ausser es wurde im Vertrag die längere Rügefrist vereinbart. Die Auskunft Ihres Kollegen ist also nur dann richtig, wenn Sie mit der Fir­ma die SIA-Norm 118 vereinbart ha­ben. Schauen Sie im Werkvertrag nach. Wenn das nicht der Fall ist, müssen Sie die Rüge unbedingt sofort vorbringen.

Ausgestaltung der Mängelrüge
Die Mängelrüge hat die entdeckten Mängel zu beschreiben und möglichst zu konkretisieren. Der Unternehmer muss ableiten können, was als man­gelhaft betrachtet wird. Die bloss pau­schale Bemerkung, das Werk sei man­gelhaft, genügt nicht. Es ist aber nicht nötig (und oftmals nicht möglich), in der Rüge die Mängel fachlich richtig zu umschreiben, noch die Ursache der festgestellten Mängel darzulegen. Sie müssen also erläutern, dass und wo der Beton der Verankerung brüchig ist (z. B. mit Fotos). Sie müssen aber nicht ergründen, weshalb der Beton mangelhaft geworden ist.
Weiter ist in der Mängelrüge zum Aus­druck zu bringen, dass man das abge­lieferte Werk nicht als vertragskonform erachtet und den Unternehmer haftbar machen will. Auch wenn die Rüge formlos erfolgen kann, empfiehlt es sich zu Beweiszwecken, die Mängelrü­ge per Einschreiben zu versenden.

Rügefrist kontra Verjährungsfrist
Von der Rügefrist sind die Verjäh­rungsfristen zu unterscheiden. Diese betragen je nach Art des Werks zwei oder fünf Jahre. Nach Ablauf dieser Fristen sind Ansprüche gegen den Ver­tragspartner verjährt und können nicht mehr durchgesetzt werden, selbst wenn man einst rechtzeitig ge­rügt hat. Wer also einen Mangel ent­deckt und rügt, muss innert dieser Verjährungsfristen gegen den Unter­nehmer vorgehen. Die Mängelrüge un­terbricht die Verjährungsfrist nicht!


Elias Mattmann-Fries, Rechtsanwalt und Notar

Dieser Beitrag erschein als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 6. Juni 2024.
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