Teilzeit: Muss ich auf Abruf jederzeit bereit sein?
"Ich arbeite zu 75%, verteilt auf 5 Tage. Normalerweise wird die Arbeitszeit einen Monat im Voraus festgelegt. Ich möchte in der freien Zeit einen Nebenjob ausüben. Mein Chef meint aber, dass der Nebenjob meinen Job nicht beeinträchtigen darf und ich jederzeit, wie in einem 100%-Job, einsatzbereit sein müsste, falls jemand ausfällt."
Ihr Chef kann das nur verlangen, wenn Sie sich zu diesem «Bereithalten» vertraglich verpflichtet haben und wenn diese Bereitschaftszeit auch entschädigt wird. Falls dies nicht der Fall ist, sind Sie bezüglich der Gestaltung der restlichen 25% frei. Entscheidend sind deshalb die vertraglichen Vereinbarungen. Da mir Ihr Arbeitsvertrag nicht vorliegt, kann ich nur die möglichen Regelungen darstellen.
Einteilung verbindlich
Nach Ihrer Schilderung gehe ich davon aus, dass es sich bei Ihrem momentanen Arbeitsvertrag um einen «normalen» Teilzeitarbeitsvertrag mit einem Pensum von 75% handelt, mit der einzigen Besonderheit, dass die genauen Einsatzzeiten erst einen Monat im Voraus festgelegt werden. Die Flexibilität besteht also darin, dass Sie sich bis einen Monat im Voraus für jeden Einsatz innerhalb der Arbeitszeiten zur Verfügung stellen. Sobald aber die Einteilung mitgeteilt ist, schliessen beide Parteien eine verbindliche Vereinbarung über die konkrete Arbeitszeit ab. Jede Partei, die danach eine Änderung der Arbeitszeiten vornehmen will, braucht das Einverständnis der anderen. Diese Verbindlichkeit nach der konkreten Arbeitszeitmitteilung für den Folgemonat bedeutet, dass Sie frei sind, wie Sie die restlichen 25% nutzen. Sie dürfen selbstverständlich in dieser Zeit einer anderen Lohnarbeit nachgehen. Die Arbeitgeberin kann in einer solchen Konstellation nicht verlangen, dass Sie sich für kurzfristige Einsätze bereithalten.
Arbeit auf Abruf
Wenn Ihre Vorgesetzten Ihre volle Einsatzbereitschaft haben wollen, müsste ein Arbeitsvertrag auf Abruf abgeschlossen werden, der vorsieht, dass die Leitung Sie jederzeit, auch im Rahmen der 25%, zur Arbeit heranziehen kann. Ein solcher Abrufvertrag ist zulässig, wenn die Bereitschaftszeit (als «Rufbereitschaft» bezeichnet) entschädigt wird. Die Höhe der Entschädigung kann grundsätzlich frei vereinbart werden; sie muss auch nicht so hoch sein, wie der Lohn, wenn Sie effektiv arbeiten.
Entschädigung geschuldet
Hintergrund der Entschädigung für die Rufbereitschaft ist die Einschränkung Ihrer Zeitautonomie. Je höher die Rufbereitschaft ist, desto höher muss die Entschädigung sein. Die Gerichtspraxis geht davon aus, dass bei einem Abruf bis 14 Tage vor dem Einsatz noch keine Entschädigung geschuldet ist. Daraus sehen Sie, dass die Vorstellung der Leitung, Sie jederzeit abrufen zu können (also auch innerhalb von weniger als 24 Stunden), eine sehr hohe Einschränkung für Sie darstellt und entsprechend hoch entschädigt werden muss.
Im Arbeitsvertrag auf Abruf sollte deshalb - nebst der Entschädigung - schriftlich festgehalten werden, zu welchen Zeiten Sie sich zur Verfügung halten müssen und wann Sie uneingeschränkt freihaben.
Raetus Cattelan, Rechtswalt
Folgender Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 6. März 2019.