Darf mein Stundenlohn einfach so gekürzt werden?
"In meinem Arbeitsvertrag von Juli 2013 wurde mein Stundenlohn für Service auf 24.05 Franken festgelegt. Im Juli 2017 wurde mein Lohn ohne neuen Vertrag auf 19.50 Franken heruntergestuft, da ich Buffetarbeit leistete. Muss ich dies akzeptieren oder kann ich die Lohndifferenz nachfordern? Wann ist die Frist abgelaufen?"
Der Landes-Gesamtarbeitsvertrag des Gastgewerbes (L-GAV) enthält verbindliche Mindestlohnansätze. Die Mindestlöhne sind abgestuft nach dem Ausbildungsstand der Mitarbeiter. Ob Ihr Stundenlohn dem Mindestlohn gemäss L-GAV entspricht, können Sie feststellen, indem Sie Ihren Stundenlohn mit der Anzahl Sollarbeitsstunden pro Monat multiplizieren. Sollte der daraus resultierende Betrag unter dem Mindestlohn liegen, der Ihnen gemäss Ihrem Ausbildungsstand zusteht, können Sie die Lohndifferenz bis zur Höhe des Mindestlohnes nachfordern.
Die Herunterstufung Ihres Stundenlohnes stellt eine Vertragsänderung dar, selbst wenn Sie keinen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten haben. Weil der Lohn zum wesentlichen Inhalt eines Arbeitsvertrages zählt, kann er nicht einseitig abgeändert werden.
Eine Änderung des vertraglich vereinbarten Lohnes wäre auf zwei Arten möglich: Beide Parteien stimmen einer Vertragsänderung zu (einvernehmliche Änderung) oder eine Partei setzt die Änderung einseitig über den Weg der Änderungskündigung durch. So weit die Grundsätze.
Ausnahme möglich
Es gibt aber eine Ausnahme: Der vereinbarte Lohn kann ausnahmsweise auch durch konkludentes Verhalten stillschweigend abgeändert werden. Solche Einverständnisse sind im Arbeitsrecht häufig. Positive Änderungen werden oft ohne explizite Vertragsänderung vollzogen (z.B. eine Lohnerhöhung, die am Jahresendgespräch mitgeteilt wird, ohne den Vertrag schriftlich anzupassen). Bei negativen Änderungen ist die Hürde höher, bis von einem stillschweigenden Einverständnis ausgegangen werden darf.
Das Bundesgericht geht davon aus, dass der Arbeitnehmer mit einer Lohnreduktion einverstanden ist, wenn er während mindestens drei Monaten die reduzierte Lohnzahlung unwidersprochen akzeptiert. Hat der Arbeitnehmer sich innert dieser Zeit nicht gegen die Lohnkürzung gewehrt, wird vermutet, dass er der Kürzung stillschweigend zugestimmt hat.
Der Arbeitnehmer kann diese Vermutung allerdings widerlegen, wenn er besondere Umstände nachweist, wonach der Arbeitgeber aus dem Verhalten des Arbeitnehmers nicht auf dessen Zustimmung zur Lohnreduktion schliessen durfte. Es kommt also darauf an, ob Sie gegen die Lohnkürzung opponiert haben. Aus Ihrer kurzen Schilderung muss ich davon ausgehen, dass Sie seit rund zwei Jahren diesen reduzierten Lohn widerspruchslos entgegengenommen und damit die Lohnreduktion (stillschweigend) akzeptiert haben. Wie einleitend bemerkt, müsste aber trotzdem der Mindestlohn bezahlt werden. Ihre Lohnansprüche können Sie innert fünf Jahren seit deren Entstehung geltend machen, vermutlich wohl nur eine allfällige Unterschreitung des Mindestlohnes.
Raetus Cattelan, Rechtswalt
Folgender Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 28. August 2019.