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Kann ich alte Dienst­barkeiten löschen lassen?

Wir sind Eigentümer eines Wohnhauses und möchten dieses ausbauen. Das geplante Projekt erfüllt die Bauvorschriften der Gemeinde. Allerdings lastet auf dem Grund­stück eine Dienstbarkeit aus den 50er-Jahren, die den Bau in der gewünschten Höhe verbietet. Gibt es einen Weg, diese einseitig löschen zu lassen?
Dienstbarkeiten beschränken den Eigentümer eines Grundstücks in der Ausübung seiner Eigentumsrechte zugunsten eines anderen Grundstücks. In Ihrem Fall dürfen Sie zum Beispiel nicht in der Höhe bauen, wie es aufgrund der öffentlich-rechtlichen Baubestimmungen zulässig wäre. Es ist unerfreulich, wenn alte, bislang kaum beachtete Dienstbarkeiten ein aktuelles Bauprojekt verunmöglichen. Solange bei der Errichtung einer Dienstbarkeit jedoch keine Befristung vereinbart worden ist, behält sie ihre Geltung grundsätzlich auf unbestimmte Dauer. Für die involvierten Grundeigentümer besteht allerdings jederzeit die Möglichkeit, die Aufhebung oder Abänderung der Dienstbarkeit (meist gegen ein Entgelt) gemeinsam zu vereinbaren.

Einseitige Ablösung
Das Gesetz erlaubt zudem die Ablösung einer Dienstbarkeit durch das Gericht. Voraussetzung ist, dass eine Dienstbarkeit für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat. Um dies festzustellen, müssen regelmässig die Beweggründe ermittelt werden, auf denen die Errichtung der Dienstbarkeit basierte. Bei einer Mitte des letzten Jahrhunderts vereinbarten Dienstbarkeit, wie der vorliegenden, kann dies schwierig werden. Allenfalls bringt der beim Grundbuchamt hinterlegte Beleg zur Begründung der Dienstbarkeit nähere Hinweise. Lässt sich jedoch nicht mehr feststellen, welche Motive für die Errichtung einer Dienstbarkeit massgebend waren, muss gemäss der Rechtsprechung angenommen werden, die Parteien hätten mit der Errichtung der Dienstbarkeit denjenigen Zweck verfolgt, der sich aufgrund der damaligen Verhältnisse aus den Bedürfnissen der Benutzung des herrschenden Grundstücks vernünftigerweise ergab.

Abhängig von den konkreten Umständen fällt bei Dienstbarkeiten mit Höhenbeschränkungen etwa die Erhaltung der Aussicht des berechtigten Grundstücks in Betracht. Das Interesse könnte in diesen Fällen etwa dann verloren gegangen sein, wenn die Aussicht des Grundstücks bereits aufgrund anderer zwischenzeitlich entstandener Gebäude komplett ver­baut worden ist.

Ablösung bei Missverhältnis
Ist das Interesse des berechtigten Grundstücks zwar noch vorhanden, im Vergleich zur Belastung aber von unverhältnismässig geringer Bedeutung, so kann die Dienstbarkeit gegen eine Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden. Das Missverhältnis kann sich aus der Abnahme des ursprünglich verfolgten Interesses oder der Zunahme der Belastung für das verpflichtete Grundstück ergeben. Das Anwachsen der Belastung darf aber nicht auf Gründe zurückgehen, die vom Eigentümer des belasteten Grundstücks selbst herbeigeführt worden sind. Sonst hätte es dieser unter Umständen in der Hand, das für die Ablösung der Last nötige Missverhältnis der Interessen selber zu schaffen. Das eine Bauhöhenbeschränkung mit Blick auf ein geplantes Projekt plötzlich aktuell wird, begründet allerdings keine Mehrbelastung. Vielmehr erfüllen Dienstbarkeiten, die Baubeschränkungen zum Inhalt haben, ihren Zweck gerade erst in diesen Fällen.

Sofern also das berechtigte Grundstück sein Interesse an der Höhenbeschränkung nicht endgültig verloren hat, ist hier eine Vereinbarung mit dem Berechtigten zu empfehlen. 

Florian Marfurt, Rechtsanwalt

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 1. Juni 2023.
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