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Ich erhalte Lohn immer zu spät: Muss ich das akzeptieren?

Ich (w., 49) arbeite für ein KMU im Stundenlohn. In letzter Zeit wurde der Lohn immer später ausbezahlt – zwei bis drei Wochen nach Monatsende. Angeblich brauchte der Arbeitgeber die Zeit, um die geleisteten Stunden zu berechnen. Muss ich das akzeptieren? Ich habe keinen schriftlichen Arbeitsvertrag, da der Chef ein Bekannter ist.
Das Verhalten Ihres Chefs ist nicht korrekt und kann für ihn finanzielle Folgen haben: Denn das Gesetz bestimmt, dass der Lohn am Ende jedes Monats auszurichten ist. Von dieser gesetzlichen Regel können die Vertragsparteien nur abweichen, wenn sie eine andere Abrechnungsperiode vereinbart haben, wenn andere Termine oder Fristen der Lohnauszahlung «üblich» sind oder wenn sich eine andere Regelung aus einem Normal- oder Gesamtarbeitsvertrag ergibt (Art. 323 Abs. 1 Obligationenrecht [OR]).

Ich nehme an, dass weder ein Normal- noch ein Gesamtarbeitsvertrag auf Ihr Arbeitsverhältnis anwendbar ist. Ein schriftlicher Vertrag, der eine Auszahlung des Lohnes drei Wochen nach Monatsende erlaubt, liegt ebenfalls nicht vor. Auch kann sich Ihr Chef nicht auf eine «Usanz» berufen. Denn eine Lohnauszahlung drei Wochen nach Monatsende ist gerade nicht üblich. Vielmehr entspricht eine Lohnaus­zahlung um den 25. des Monats dem weit verbreiteten Standard in der Schweiz.

Verzugszins von 5 Prozent fällig
Im OR ist geregelt, was passiert, wenn ein Schuldner die Leistung nicht rechtzeitig erbringt. In Ihrem Fall ist der Arbeitgeber der Schuldner Ihres Lohnes; Sie sind der Gläubiger. In der Regel muss der Gläubiger den Schuldner mahnen. Mit der Mahnung kommt der Schuldner in Verzug. Ab dem Zeitpunkt des Verzugs ist auf der fälligen Forderung ein gesetzlicher Verzugszins von 5 Prozent geschuldet.

Wenn für die Erfüllung der Schuld ein bestimmter Verfalltag verabredet wurde, kommt der Schuldner schon mit Ablauf dieses Tages in Verzug. Es braucht keine Mahnung. Die Bestimmung von Art. 323 Abs. 1 OR (Lohnzahlung Ende Monat) stellt eine solche Abrede eines Verfalltages dar. Ihr Chef befindet sich somit ab dem 1. des Folgemonats mit der Lohnzahlung in Verzug und schuldet Ihnen einen Verzugszins von 5 Prozent auf der fälligen Lohnforderung. Diesen Zins können Sie einfordern.

Arbeitgeber hat eine Informationspflicht
Sie erwähnen, dass Sie keinen schriftlichen Arbeitsvertrag haben. Das ist zwar nicht notwendig, denn auch ein mündlicher Arbeitsvertrag ist gültig. Trotz der Formfreiheit sieht das Gesetz eine minimale Informationspflicht vor, damit im Arbeitsverhältnis keine Missverständnisse aufkommen.

Nach Art. 330b Abs. 1 OR muss der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses informieren über: (a) die Namen der Vertragsparteien, (b) das Datum und Beginn des Arbeitsverhältnisses, (c) die Funktion des Arbeitnehmers, (d) den Lohn und allfällige Lohnzuschläge sowie (e) die wöchentliche Arbeitszeit. Auch auf diese Pflicht können Sie Ihren Chef aufmerksam machen und einen schriftlichen Vertrag einfordern.

Raetus Cattelan, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 7. Juni 2023.
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