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AG, GmbH, Vereine & Co. - Haftungsrisiko!

Ich bin als Verwaltungsrat einer kleinen AG im Handelsregister eingetragen. Diese AG steht aufgrund des Lockdowns nun vor dem finanziellen Aus. Ein Kollege hat mir erzählt, ich würde Gefahr laufen, als Verwaltungsrat persönlich für offene AHV-Beiträge gerade stehen zu müssen. Stimmt das?
Die Zeiten sind turbulent, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise für viele KMU, aber auch für Vereine (als solche sind mancherorts Kitas organisiert) existenzbedrohend. Dies kann auch für die Leitungsorgane von juristischen Personen, etwa für Verwaltungsräte, Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder zu bösen Überraschungen führen. So sind sich viele Mitglieder eines Leitungsorgans nicht bewusst, dass sie für unbezahlt gebliebene AHV-Beiträge persönlich haftbar werden können. Mit anderen Worten ist denkbar, dass ein Vorstandsmitglied AHV-Beiträge aus der eigenen Tasche bezahlen muss, wenn der Verein diese Beträge nicht korrekt abgeführt hat und nun aufgrund finanzieller Schieflage nicht mehr in der Lage ist, diese Gelder an die Ausgleichskasse zu entrichten.

Das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) sieht in Art. 52 eine Haftung vor, die es in sich hat: Fügt ein Arbeitgeber durch absichtliche oder grobfahrlässige Missachtung von Vorschriften der Versicherung einen Schaden zu, so hat er diesen zu ersetzen. Dieser Absatz 1 ist insofern noch nicht besonders gefährlich, als der haftpflichtige Arbeitgeber die juristische Person ist, zum Beispiel die Aktiengesellschaft, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eben der Verein. Für die Organe ungemütlich wird es aber dann, wenn die juristische Person die AHV-Beiträge nicht mehr selbst bezahlen kann. Dann nämlich nimmt das Gesetz (subsidiär) die Organe in die Pflicht: Handelt es sich beim Arbeitgeber um eine juristische Person, so haften subsidiär die Mitglieder der Verwaltung und alle mit der Geschäftsführung oder Liquidation befassten Personen. Sind mehrere Personen für den gleichen Schaden verantwortlich, so haften sie für den ganzen Schaden solidarisch.

Die entscheidende, hier interessierende Frage ist, wer nach Art. 52 Abs. 2 AHVG haftpflichtig werden kann. Natürlich sind hier in erster Linie die (formellen) Organe zu nennen (etwa Verwaltungsräte oder Vorstandsmitglieder). Haftbar werden kann aber auch, wer nur sogenannt «faktisches Organ» ist, wer also zwar nicht etwa Mitglied im Vorstand ist, aber trotzdem Entscheide trifft, die den Organen vorbehalten wären, oder wer die Geschäftsführung erfüllt (und so die Willensbildung der Gesellschaft massgeblich beeinflusst), obwohl er gar nicht zum Mitglied eines Organs bestimmt worden ist. Der Begriff des «Organs» wird von den Gerichten sehr weit gefasst.

Wer sich somit etwa als Verwaltungsrat einer AG wählen lässt, setzt sich der Gefahr aus, die offenen AHV-Beträge persönlich bezahlen zu müssen, wenn die AG sie nicht bezahlt hat und nicht bezahlen wird/kann. Sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrats sind letztlich in der Lage, die Meinungsbildung der juristischen Person zu beeinflussen, was sie potenziell haftpflichtig macht. Die Gerichte sind sehr streng, dabei zu beurteilen, ob ein Verwaltungsrat Kontroll- oder Überwachungsfunktion inne gehabt hätte, diese aber nicht wahrgenommen habe. Die Haftung ist zudem solidarisch, was bedeutet, dass die Ausgleichskasse nach Belieben entscheiden kann, bei welcher Person es den gesamten offenen Betrag geltend macht. Kurz: Ihr Kollege mag zwar etwas pauschal formuliert haben, falsch liegt er aber nicht. Geben Sie also acht!

Dr. Rainer Wey, Rechtsanwalt, Notar und Fachanwalt SAV Erbrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 14. Mai 2020.
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