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Anrecht auf freie Fasnachtstage ohne Fasnacht?

Während der Fasnacht konnten wir Arbeitnehmende jeweils je einen bezahlten Halbtag (Schmutziger Donnerstag und Güdismontag) beziehen, um die Fasnachtsumzüge oder einfach die Fasnacht zu geniessen. Wie sieht es dieses Jahr aus, da die Fasnacht nicht so stattfindet wie üblich? Gilt dabei ein Gewohnheitsrecht oder muss normal gearbeitet werden? Respektive muss der Arbeitgeber diese beiden halben Tage trotzdem bezahlt frei geben? Diese zwei halben Tage sind nicht speziell im Arbeitsvertrag festgehalten. Da sich unser Büro in der Stadt Luzern befindet, war es jeweils auch nicht so angenehm, während des fasnächtlichen Treibens zu arbeiten.
Leider besteht in Ihrem konkreten Fall kein Anspruch auf diese Fasnachts-Halbtage, wenn keine Fasnacht stattfindet. Ich kann Ihnen diese Antwort wie folgt erklären:

Ferien oder (ausserordentliche) Freizeit?
Die Unterscheidung zwischen Ferien und Freizeit ist im Arbeitsrecht von zentraler Bedeutung. Der Ferienanspruch bezieht sich immer auf eine Zeit, während der ich arbeiten müsste, also auf die Arbeitszeit. Demgegenüber wird als ordentliche Freizeit der Zeitraum verstanden, der sich zwischen dem Arbeitsende und der Wiederaufnahme der Arbeit befindet. Bei einer klassischen Vollzeittätigkeit sind der Samstag und der Sonntag Freizeit, ebenso die Zeit zwischen Feierabend und dem Arbeitsbeginn am nächsten Morgen. Bei einer Teilzeitarbeit kann sich die Freizeit deshalb über mehrere Tage erstrecken. Die ordentliche Freizeit ist also das Gegenstück zur Arbeitszeit.

Allgemein bekannt ist, dass ich Ferientage nachholen kann, wenn ich während der Ferien so krank werde, dass ich die Ferien nicht als Ferien geniessen konnte. Dieses Nachhohlrecht begründet sich im Erholungszweck der Ferien, der durch die Krankheit (wenn sie eine gewisse Intensität erreicht) vereitelt wird. Bei der Freizeit habe ich kein Nachholrecht. Wenn ich am Freitagabend erkranke und am Montagmorgen wieder fit bin, habe ich keinen Anspruch auf Kompensation dieses nicht erholsamen Wochenendes.

Nebst dieser ordentlichen Freizeit gibt es auch den ausserordentlichen Freizeitanspruch (in Personalgesetzen auch "Urlaub" genannt). Für die Erledigung dringender Angelegenheiten (Behördengänge), beim Umzug, bei der eigenen Heirat oder bei Beerdigungen im Familienkreis habe ich Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber mir die notwendige Zeit zur Verfügung stellt. Oft regeln die Personalreglemente im Detail, für welches Ereignis ich welche Arbeitszeit frei erhalte (und wie ich diese allenfalls kompensieren muss). Diese ausserordentliche Freizeit stellt keinen Ferienanspruch dar. Sie ist zweckgebunden und hat mit dem Ereignis zu tun, für das ich die Zeit frei erhalte, nicht damit, dass ich mich von der Arbeit erholen kann (wie das bei den Ferien der Zweck ist).

Fasnachtstage als ausserordentliche Freizeit?
Die entscheidende Frage ist somit, ob die bei Ihnen gelebte Tradition in der Firma, am Schmutzigen Donnerstag und am Güdismontag je einen halben Tag frei zu erhalten, eine zweckgebundene ausserordentliche Freizeit ist oder Feriencharakter hat. Gemäss Ihren Schilderungen erhielten Sie frei, um "die Fasnachtsumzüge oder einfach die Fasnacht zu geniessen". Diese Zweckgebundenheit spricht für die Gewährung einer ausserordentlichen Freizeit. Weil der Zweck im Jahr 2021 leider dahinfällt, besteht an den beiden Tagen kein Anspruch auf ausserordentliche Freizeit. Die Situation ist vergleichbar mit einer Beerdigung im Familienkreis. Wenn Sie z.B. Anspruch auf einen halben Tag für die Teilnahme an der Beerdigung haben, Sie aber nicht daran teilnehmen, können Sie diesen Halbtag nicht später kompensieren oder an die Ferien anhängen.

Ich schliesse nicht aus, dass es in anderen Betrieben noch vertragliche Regelungen gibt, die für die Fasnachtstage eine Ferienregelung vorsehen. Das dürfte aber selten sein. So hat z.B. selbst der der Kanton Luzern (als typischer Fasnachtskanton) vor einigen Jahren die arbeitsfreien Fasnachts-Halbtage aufgehoben. Wer an die Fasnacht will, muss entsprechend Ferien nehmen.

Raetus Cattelan, Rechtswalt und Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 03.02.2021.
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