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Darf Arbeitgeber mein Pensum oder Lohn reduzieren?

Mit meinen 60 Jahren bin ich vielleicht nicht mehr ganz so schnell wie früher. Nun hat mir der Arbeitgeber eine Pensenreduktion um 20–30 Prozent oder einen neuen Aufgabenbereich zu einem reduzierten Lohn vorgeschlagen, auch aus Spargründen. Darf er das? Wäre mein allfälliger Lohnverlust über die Arbeitslosenversicherung abgedeckt?

Diese Änderungen des Arbeits­vertrags kann der Arbeitgeber nicht einseitig anordnen. Die Reduktion des Pensums oder des Lohnes sind wesentliche Änderungen Ihres bisherigen Arbeitsvertrages. Eine solche Änderung kann nur erfolgen, wenn beide Parteien einer Vertragsänderung zustimmen oder eine Partei die Änderung einseitig via Änderungskündi­gung durchsetzt. Wenn Sie mit diesen Ände­rungen nicht einverstanden sind, müsste Ihr Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen und Ihnen gleichzeitig eine Offerte mit einem neuen Vertrag und den neuen Bedin­gungen unterbreiten.

Prüfung des Kündigungsgrundes
Akzeptieren Sie die Offerte des Arbeitgebers nicht, bleibt es bei der Kündigung des (bisheri­gen) Arbeitsvertrages. Dann stellt sich die Frage, ob eine solche Kündigung in Ordnung ist. Der Grund der Kündigung liegt nach Ihren Schilderungen in der Abnahme Ihrer Leis­tungsfähigkeit. Sie formulieren diese Abnahme aber im Kon­junktiv; sind sich also nicht so sicher, ob und wie stark Ihre Leistungsfähigkeit effektiv reduziert ist. Wenn sich der Arbeitgeber darauf berufen würde, müsste er die Tatsache und den Umfang der Leis­tungsabnahme beweisen. Kann er das nicht, wäre der Grund vorgeschoben. Eine solche Kündigung wäre dann missbräuchlich.

Besonderer Schutz für ältere Arbeitnehmer
Hinzu kommt, dass bei älteren Mitarbeitenden (ca. ab 60 Jahren) und einer langen Betriebszugehörigkeit (ca. ab 10 Jahren) der Arbeitgeber verpflichtet ist, besonders schonend vorzugehen und zum Beispiel Gelegenheit zu geben, sich zu verbessern. Wenn der Arbeitgeber in einer solchen Situation direkt zur Kündigung greift, liegt möglicherweise eine altersdis­kriminierende Kündigung vor (als eine Form der missbräuch­lichen Kündigung). Miss­bräuchliche Kündigungen führen zu Entschädigungsan­sprüchen in der Höhe von bis zu sechs Monatslöhnen. Die Kündigung als solche bleibt aber bestehen.

Keine Kompensation durch Arbeitslosenversicherung
Sie fragen nach der Arbeitslo­senversicherung. Diese deckt keinen Lohnverlust infolge einer Pensenreduktion, son­dern mildert die Folgen einer unverschuldeten Arbeitslosig­keit. Versichert über die Arbeitslosenkasse ist der «versicherte Verdienst». Dieser wird von der Arbeitslo­senkasse aufgrund der Ein­kommen der letzten sechs oder der letzten zwölf Monate festgesetzt (der höhere Durch­schnittswert gilt als versicher­ter Verdienst). Würden Sie deshalb einer Lohnreduktion zustimmen, würden Sie im Fall einer späteren Arbeitslosigkeit auch ein tieferes Arbeitslosen­geld erhalten.


Raetus Cattelan, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber in der Luzerner Zeitung vom 27. Februar 2024.
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