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Schlichtungsverfahren - was heisst das?

Ich wohne in Sursee und habe vor einigen Jahren in meinem Garten Hochbeete gebaut. Seither behauptet mein Nachbar, diese verursachen Dreck bei ihm, was nicht stimmt. Nun habe ich eine Vorladung vom Friedensrichteramt Willisau erhalten. Ich bin sehr erschrocken. Was bedeutet das? Muss ich da hin? Brauche ich einen Anwalt?

Zuerst schlichten, dann richten
Das Schlichtungsverfahren ist in der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Bis auf wenige Ausnahmen ist ein Schlichtungsverfahren zwingend durchzuführen, bevor man sich mittels Klage an ein Gericht wenden kann. Entgegen vielfacher Meinung ist das Schlichtungsverfahren also nicht freiwillig. Das Ziel des Schlichtungsverfahrens ist es, zwischen den Parteien eine gütliche Einigung zu finden und den Gerichtsweg zu vermeiden. Die Friedensrichter nehmen dabei eine neutrale, vermittelnde Position ein. Sie sind keine Richterpersonen im eigentlichen Sinn. Das heisst, sie treffen – auch hier bis auf wenige Ausnahmen – keine verbindlichen Entscheide. Erzielen die Parteien vor dem Friedensrichteramt eine Einigung, wird diese in einemschriftlichen Vergleich festgehalten. Gibt es keine Einigung, erhält die gesuchstellende Partei die sogenannte Klagebewilligung. Diese erlaubt es, innert dreier Monate beim Gericht eine Klage einzureichen. Das Schweizer Zivilverfahren widmet sich also ganz dem Prinzip «zuerst schlichten, dann richten».

Vertraulichkeit des Verfahrens
Das Schlichtungsverfahren ist ein informelles Verfahren, es gibt insbesondere keine Beweisabnahmen (Zeugenbefragungen etc.) durch die Friedensrichter. Zentraler Grundsatz ist, dass das Verfahren vertraulich ist. Es dürfen keine Aussagen der Parteienprotokolliert und später vor Gerichtverwendet werden. Der Gedanke ist, dass die Parteien «frei von der Leber weg reden» sollen.

Schlichtungsbehörden im Kanton Luzern
Wer ein Schlichtungsverfahren einleiten möchte, hat der zuständigen Schlichtungsbehörde ein Gesuch einzureichen. Im Kanton Luzern gibt es sieben Schlichtungsbehörden: Die Schlichtungsbehörde Miete und Pacht, die Schlichtungsbehörde Arbeit, die Schlichtungsbehörde Gleichstellung sowie die vier Friedensrichterämter in Luzern, Kriens, Willisau und Hochdorf (zuständig für alle übrigen zivilrechtlichen Streitigkeiten). Welches der vier Friedensrichterämter konkret zuständig ist, entscheidet sich nach der örtlichen Zuständigkeit des Streitfalles. So agiert z. B. das Friedensrichteramt Luzern nur in Streitigkeiten in der Stadt Luzern, dasjenige in Kriens aber auch in Adligenswil, Horw, Malters usw. Für die Stadt Sursee ist in der Tat das Friedensrichteramt Willisau zuständig.

Anwesenheitspflicht
Parteien müssen an sich persönlich zur Schlichtungsverhandlung erscheinen. Sie können sich aber von einem Rechtsbeistand oder einer Vertrauensperson begleiten lassen. Zwingend ist die Anwesenheit von Anwälten nicht. Gerade in komplexen oder emotional schwierigen Angelegenheiten ist zu empfehlen, sich durch einen Rechtsbeistand begleiten zu lassen. Dies kann helfen, die Angelegenheit sachlich zu diskutieren und einen guten Vergleich zu erzielen. Übrigens: Wenn die klagende Partei nicht an der Verhandlung erscheint, wird das Schlichtungsverfahren abgeschrieben. Erscheint die beklagte Partei nicht, wird der klagenden Partei ohne Weiteres die Klagebewilligung ausgehändigt.


Elias Mattmann-Fries, Rechtsanwalt und Notar

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 7. März 2024.
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