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22. September 2022 Arbeitsrecht Kaja Vogler

Kann mir trotz Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden?

Kürzlich habe ich mich im Wiederholungskurs des Militärs an der Schulter verletzt und werde daher mehrere Monate arbeitsunfähig sein. Kann mir mein Arbeitgeber wegen meiner langen Abwesenheit kündigen?
Artikel 336c OR regelt die Sperrfristen, während derer der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nicht kündigen darf. So kann er das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Probezeit während einer gesetzlich bestimmten Frist unter anderem nicht auflösen, während der Arbeitnehmer obligatorischen Militär-, Schutz- oder Zivildienst leistet oder während er unverschuldet durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise an seiner Arbeitsleistung verhindert ist.

Eine während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung ist nichtig. Hat der Arbeitgeber die Kündigung bereits vor Beginn einer Sperrfrist ausgesprochen, ist aber die Kündigungsfrist bei Beginn der Sperrfrist noch nicht abgelaufen, wird die Kündigungsfrist unterbrochen und erst nach Ende der Sperrfrist fortgesetzt. Dadurch verlängert sich das Arbeitsverhältnis. Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zum Beispiel mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten und wird der Gekündigte nach zwei Monaten arbeitsunfähig, ruht die Kündigungsfrist bis zur Genesung des Arbeitnehmers oder bis zum Ablauf der Sperrfrist – je nachdem, was früher eintritt. Ab diesem Zeitpunkt wird die noch verbleibende Kündi­gungsfrist fortgesetzt.

Zwei unterschiedliche Sperrfristen
In Ihrem Fall kommen zwei unterschiedliche Sperrfristen zur Anwendung; einerseits jene wegen des Militärdienstes, andererseits jene wegen Ihrer verletzungsbedingten Arbeits­verhinderung. Das Gesetz sieht eine Sperrfrist während der Leistung von Militärdienst vor sowie, wenn die Dienstleistung mehr als elf Tage dauert, während vier Wochen vorher und nachher. Wenn Ihr Militärdienst also mehr als elf Tage gedauert hat, sind Sie während des Kurses sowie während vier Wochen danach vor einer Kündigung geschützt.

Die Dauer der Sperrfrist im Zusammenhang mit Ihrer verletzungsbedingten Arbeitsverhinderung ist dagegen abhängig davon, wie lange Sie bereits bei Ihrem Arbeitgeber tätig sind. Laut Gesetz darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung wegen Krankheit oder Unfall im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab dem zweiten bis und mit dem fünften Dienstjahr während 90 Tagen und ab dem sechsten Dienstjahr während 180 Tagen nicht kündigen. Arbeiten Sie zum Beispiel seit drei Jahren bei Ihrem Arbeitgeber, so darf er Ihr Arbeitsverhältnis ab Ein­tritt Ihrer Arbeitsunfähigkeit während 90 Tagen nicht kündigen.

Neue Sperrfrist beginnt umgehend
Wie erwähnt, sind in Ihrem Fall zwei verschiedene Sperrfristen relevant. Jede auf einem neuen Grund beruhende Arbeitsverhinderung löst eine neue, eigene Sperrfrist aus. Verwirklicht sich ein Arbeitsverhinderungsgrund während einer bereits laufenden Sperrfrist, beginnt dessen eigene Sperrfrist aber bereits direkt nach Eintritt des neuen Grunds zu laufen und nicht erst, wenn die erste Sperrfrist abläuft. In Ihrem Fall begann also die Sperrfrist aufgrund Ihrer verletzungsbedingten Arbeitsverhinderung umgehend zu laufen – unabhängig davon, wie lange die Kündigungssperrfrist wegen Ihres Militärdienstes noch laufen würde. Sind Sie zum Beispiel seit drei Jahren bei Ihrem Arbeitgeber angestellt, läuft die Sperrfrist nach maximal 90 Tagen ab, wenn Sie nicht vorher wieder arbeitsfähig werden. Nach Ablauf der Sperrfrist darf Ihr Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis kündigen, auch wenn Sie noch arbeitsunfähig sind. 

Kaja Vogler, Rechtsanwältin

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 22. September 2022.
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