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Kürzung des Unterhaltes wegen Kurzarbeit?

Gemäss Scheidungsurteil muss mein Ex-Mann für unsere beiden Kinder je 1000 Franken Unterhalt bezahlen. Seit April überweist er mir jedoch nur noch 800 Franken pro Kind. Begründung: Er leiste Kurzarbeit und erhalte nur 80 % seines Lohns. Daher könne er auch nur 80 % des Unterhalts bezahlen. Darf er die Unterhaltsbeiträge einseitig kürzen?
Die kurze Antwort lautet: Nein. Das Scheidungsurteil ist verbindlich und gilt, solange es keine abweichende Vereinbarung oder einen neuen Gerichtsentscheid gibt.

Einigung oder Abänderungsklage
Es steht Ihnen frei, sich mit Ihrem Ex-Mann zu verständigen und die – vorübergehend – tieferen Unterhaltsbeiträge zu akzeptieren. Für diesen Fall empfiehlt es sich, die wichtigsten Punkte in einer schriftlichen Vereinbarung festzuhalten, also von wann bis wann die Unterhaltspflicht um welchen Betrag herabgesetzt wird.

Falls Sie sich nicht einigen können, bleibt es bei den gemäss Scheidungsurteil geschuldeten Beträgen. Will Ihr Ex-Mann diese anpassen, muss er beim Gericht eine sogenannte Abänderungsklage einreichen und beantragen, dass die im Scheidungsurteil festgelegten Unterhaltsbeiträge herabgesetzt werden.

Unvorhergesehene, erhebliche und dauerhafte Veränderung
Die Voraussetzungen für eine Abänderung sind jedoch relativ streng: Die Verhältnisse seit Rechtskraft des Scheidungsurteils müssen sich erheblich und dauerhaft verändert haben. Zudem muss es sich um einen Umstand handeln, der im Scheidungsurteil nicht bereits antizipiert wurde. Allein aufgrund der Einkommenseinbusse infolge Kurzarbeit sind die Voraussetzungen für eine Abänderung des Scheidungsurteils nicht erfüllt: Einerseits ist die Kurzarbeit nicht von Dauer, sondern «nur» eine vorübergehende Lohneinbusse. Andererseits werden bei der Kurzarbeitsentschädigung nicht einfach 80 % des üblichen Nettolohnes ausgerichtet. Da die Arbeitgeberin sämtliche Sozialabzüge zu tragen hat, erhält der Arbeitnehmer im Ergebnis mehr als 80 % seines bisherigen Nettolohns.

Vorgehen im Konfliktfall
Für den Fall, dass Sie sich mit Ihrem Ex-Mann nicht einigen können, er aber auch keine Abänderungsklage einreicht und weiterhin zu wenig bezahlt, gibt Ihnen das Gesetz verschiedene Handlungsoptionen: Sie können sich an Ihre Wohnsitzgemeinde wenden und dort Inkassohilfe und Alimentenbevorschussung beantragen. Die Gemeinde kümmert sich dann um das Inkasso der Unterhaltsbeiträge und bevorschusst Ihnen diese bis zu einem gesetzlich festgelegten Maximalbetrag (derzeit 948 Franken). Weiter können Sie beim Gericht eine Schuldneranweisung beantragen. Wird diese gutgeheissen, wird die Arbeitgeberin des Ex-Mannes zur Zahlung an Sie direkt vepflichtet (mit entsprechendem Abzug beim Lohn Ihres Ex-Mannes). Schliesslich können Sie Ihren Ex-Mann betreiben, wobei dies immer nur für die bereits fälligen Zahlungen möglich ist.

Melanie Friedrich, Rechtswältin und Notarin

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 9. Juli 2020.
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