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Neue Urteile des Bundesgerichts im Familienrecht

Das Bundesgericht hat in den letzten Monaten mehrere relevante Urteile im Familienrecht erlassen. Zwei Themenkomplexe sind dabei besonders herausgestochen. Zum einen hat das Bundesgericht entschieden, dass unter Umständen die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eines Ehegatten nach einer Scheidung auch nach Erreichen des 45. Lebensjahrs zumutbar ist. Zum anderen wurde mit der zweistufigen Methode eine einheitliche Berechnungsmethode der Unterhaltsbeiträge in der ganzen Schweiz festgelegt. 

Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit nach Scheidung
Aufgabe der 45-er Regel im Unterhaltsrecht

Das Bundesgericht hat am 2. Februar 2021 seine bisherige Praxis im Zusammenhang mit der Zumutbarkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei der Berechnung des nachehelichen Unterhalts geändert.

Bis zu diesem Entscheid galt die Regel, dass dem unterhaltsberechtigten Ehegatten der Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht mehr zuzumuten sei, wenn er während der Ehe nicht berufstätig war und im Zeitpunkt der Trennung bzw. Scheidung das 45. Lebensjahr erreicht hatte. Diese Altersgrenze von 45 Jahren wurde durch die kantonalen Gerichte in letzter Zeit vermehrt etwas aufgeweicht und lag tendenziell eher bei 50 Jahren.

Das Bundesgericht gibt diese starre 45-er Regel mit Entscheid vom 2. Februar 2021 nun explizit auf. Neu ist grundsätzlich von der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit unabhängig vom konkreten Alter auszugehen, soweit dies effektiv möglich ist und keine Hinderungsgründe vorliegen. Ob und wie schnell ein (Wieder-)Einstieg ins Erwerbsleben zumutbar ist, hängt von den Umständen im Einzelfall ab: Zu berücksichtigen sind dabei die Faktoren Alter, Gesundheit, Betreuungspflichten, bisherige Tätigkeiten einer Person, die Lage auf dem Arbeitsmarkt etc. Immerhin führt das Bundesgericht aus, dass dem Alter bei der Beurteilung der tatsächlichen Möglichkeit, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, oft eine entscheidende Bedeutung zukommt.

Urteil des Bundesgerichts 5A_104/2018 vom 2. Februar 2021 

Neu festgelegte Methode der Unterhaltsberechnung im Familienrecht
Zweistufige Methode zur Unterhaltsberechnung

Das Bundesgericht hat kürzlich in zwei Urteilen entschieden, dass sowohl der Barunterhalt für Kinder als auch der Ehegattenunterhalt schweizweit nach der zweistufigen Methode zu berechnen ist.

Dabei wird im ersten Schritt das gesamte Familieneinkommen dem Bedarf der Familienmitglieder gegenübergestellt. Wenn bei dieser Gegenüberstellung ein Überschuss resultiert, wird dieser in einem zweiten Schritt nach einem bestimmten Schlüssel auf alle Familienmitglieder verteilt. Wenn kein Überschuss resultiert, ist an erster Stelle der Barunterhalt für die minderjährigen Kinder, danach der Betreuungsunterhalt und sodann ein allfälliger ehelicher oder nachehelicher Unterhalt für die Ehegatten und zuletzt der Unterhalt für volljährige Kinder zu decken.

Bei der Berechnung des jeweiligen Bedarfs der Familienmitglieder sind nur spezifische Positionen zu berücksichtigen wie der Grundbetrag, ein Wohnkostenanteil, die Krankenkassenprämien, Steueranteil, besondere Gesundheitskosten, unumgängliche Weiterbildungs- und Schulkosten und Fremdbetreuungskosten. Zusätzliche Ausgaben für Reisen, Hobbys und Freizeit werden nicht (mehr) separat erfasst, sondern sind aus einem allfälligen Überschussanteil zu finanzieren.

Urteile des Bundesgerichts 5A_311/2019 vom 11. November 2019 und 5A_891/2018 vom 2. Februar 2021


Raphael Fries, Rechtsanwalt
Manuela Rogger, Rechtsanwältin
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