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Steigende Baumaterialpreise - wer bezahlt die Kostendifferenz?

Ich bin Inhaber eines kleinen Handwerksbetriebs, der sich insbesondere auf Umbau­ten von in die Jahre gekommenen Immobilien spezialisiert hat. Bekanntlich sind die Baumaterialkosten in den letzten Monaten stark angestiegen. Mein Betrieb hat diverse Aufträge angenommen, als die Materialpreise noch tiefer waren. Kann ich die Preisdifferenz überwälzen?
Aufgrund des von Ihnen geschilderten Sachverhalts gehe ich davon aus, dass Ihr Betrieb zu einem Zeitpunkt für Aufträge offeriert hat, als sich die Materialkosten noch auf tieferem Preisniveau befunden haben, dass die Ausführung dieser Aufträge nun aber in eine Zeit fällt, in welcher die Preise stark erhöht sind. Nach meinen Informationen belaufen sich die Preisanstiege - abhängig von der Materialart - auf 30 bis 50 Prozent, teilweise gar noch mehr. Es stellt sich daher die Frage, wer diese massiven Preiserhöhungen zu tragen hat: Ist es der Unternehmer oder ist es der Auftraggeber/ Besteller?

Wie immer ist es schwierig, eine solche Frage allgemeingültig zu beantworten, zumal die Lösung des Problems massgeblich davon abhängt, was die beiden Parteien untereinander konkret vereinbart haben. Die nachfolgenden grundlegenden Überlegungen dürften aber dennoch in den meisten Fällen von Bedeutung sein:

Der Unternehmer wird in der Regel Fix- oder Pauschalpreise offerieren. Nimmt der Besteller diese Offerte an, ist der Vertrag geschlossen und der Preis damit eigentlich fixiert. In diesem Fall wären Materialpreissteigerungen, die nach Vertragsschluss eintreten, vom Unternehmer zu tragen. Denn der Besteller könnte auf den Preisen beharren, die ihm im Vertrag versprochen worden sind. Immerhin sieht das Werkvertragsrecht in Art. 373 Abs. 2 OR bei «ausserordentlichen Umständen, die nicht vorausgesehen werden konnten», vor, dass das Gericht nach seinem Ermessen eine Anpassung des Preises (oder gar die Auflösung des Vertrags) bewilligen kann.

Eine vergleichbare Regelung kennt auch die oft in Werkverträge übernommene SIA-Norm 118 in Art. 59. Allerdings sind die Hürden für eine Preisanpassung sehr hoch: Es muss ein Missverhältnis zwischen der Leistung des Unternehmers und dem vereinbarten Preis entstehen. Dieses Missverhältnis muss «krass» sein, d. h. so gross, dass es für den Unternehmer unzumutbar («unerschwinglich») wird. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass bei Preissteigerungen von ca. 30 Prozent von einem so verstandenen «Missverhältnis» auszugehen ist. Dies ist selbst bei einer 50-prozentigen Erhöhung fraglich.

Als Zwischenfazit kann somit festgehalten werden, dass die gewöhnlich zur Verfügung stehenden Regelungen im vorliegenden Fall nicht helfen dürften: Die Preissteigerung hat diesfalls der Unternehmer zu tragen - vollumfänglich und alleine.

Abhilfe schaffen könnte aber eine so genannte Preisanpassungsklausel, die in Werkverträgen oft anzutreffen ist. Darin vereinbaren die Parteien zum Beispiel, dass «bereits» ein Preisanstieg von 20 Prozent zu Preisanpassungen führt. Solche Klauseln finden sich im Werkvertrag oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf welche der Werkvertrag verweist. Wie in vielen anderen Fällen zeigt sich auch bei dieser Problematik: Ein sorgfältiges, regelmässig stattfindendes Vertragsmanagement lohnt sich — auch für kleinere Unternehmungen.

Die eingangs gestellte Frage kann somit wie folgt beantwortet werden: Die höheren Materialpreise können nicht auf den Besteller überwälzt werden, es sei denn, es wurde eine Preisanpassungsregelung vereinbart, die nun zum Tragen kommt. 

Dr. Rainer Wey, Rechtsanwalt und Notar

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 8. Juli 2021.
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