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Unfall der Reinigungskraft: Was sind die finanziellen Folgen?

Seit fünf Jahren beschäftige ich eine Reinigungskraft fünf Stunden pro Woche, ohne schriftlichen Vertrag, aber mit Unfallversicherung. Nun ist sie vor einem Monat beim Fensterputzen gestürzt und ist arbeitsunfähig geschrieben. Wie lange muss ich ihr den Lohn noch zahlen? Und: Kann ich ihr kündigen?
Ihre beiden Fragen sind klar zu trennen; es gelten auch unterschiedliche Bestimmungen.

Lohnzahlung
Das Gesetz sieht vor, dass in gewissen Fällen der Arbeitgeber für eine begrenzte Zeit den Lohn weiterhin bezahlen muss, obwohl die Gegenleistung nicht erbracht wird. Der Lohnfortzahlungsanspruch wächst mit der Dauer des Arbeitsverhältnisses kontinuierlich an. Im 1. Dienstjahr dauert die Lohnfortzahlung gemäss Gesetz drei Wochen, danach für eine «angemessene längere Zeit».

Diese Zeit wird gemäss Praxis je nach Kanton in unterschiedlichen Tabellen bzw. Skalen festgehalten. Wäre Ihre Reinigungskraft erkrankt, und hätten Sie keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen (was bei solchen Arbeitsverhältnissen in Regel auch nicht der Fall ist), müssten Sie den Lohn zu 100% für eine maximale Dauer von 12 Wochen bezahlen (Art. 324a OR und «Berner Skala»).

Anders sieht es bei Unfällen aus. Gemäss dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) müssen alle Arbeitnehmer gegen die Folgen eines Berufsunfalls versichert sein. Deshalb können (und müssen) Sie diesen Berufsunfall bei der Versicherung anmelden. Die Versicherung leistet dann ein Taggeld in der Höhe von 80% an Ihre Reinigungskraft, solange sie unfallbedingt ihre Arbeit nicht leisten kann. Die Taggelder setzen aber nicht sofort ein, sondern erst vom dritten Tag nach dem Unfalltag. Während dieser Wartezeit müssen Sie 80% des Lohnes bezahlen (Art. 324b OR).

Vertrag kündigen?
Das Gesetz schützt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Kündigungen, wenn eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt. Man spricht vom zeitlichen Kündigungsschutz (Art. 336c OR). Hintergrund dieser Schutzbestimmung ist die Überlegung, dass die Arbeit­nehmerin im gesunden Zustand auf Stellensuche gehen und auch die neue Stelle arbeitsfähig antreten können soll. Dieser zeitliche Kündigungsschutz ist aber zeitlich begrenzt. Er dauert im ersten Dienstjahr 30 Tage, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr 90 Tage und ab sechstem Dienstjahr 180 Tage. Eine Kündigung, die während der Sperrfrist ausgesprochen würde, entfaltet keine Wirkung, sie ist nichtig. Erfolgt die Kündigung davor, dann ist die Kündigung gültig, die Kündigungsfrist wird während der Sperrfrist aber unterbrochen.

Ihre Reinigungskraft arbeite seit 5 Jahren bei Ihnen. Grundsätzlich gilt deshalb die 90-tägige Sperrfrist, solange das fünfte Jahr nicht überschritten wird. Sie können also die Kündigung erst aussprechen, wenn Ihre Reinigungskraft wieder zu 100% arbeits­fähig ist oder wenn diese 90 Tage seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgelaufen sind.

Sollte die Arbeitsunfähigkeit lange dauern und die 90 Tage erst nach Beginn des 6. Anstellungsjahres ablaufen, gilt für die gesamte Arbeitsunfähigkeit die Sperrfrist von 180 Tagen.

Raetus Cattelan, Rechtswalt und Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Dieser Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Luzerner Zeitung vom 30.06.2021.
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